Vorteile elaborierten Feedbacks gegenüber KCR in der Studie von Chase & Houmanfar (2009)

Es gehört mit zu schwierigsten Aufgaben der Feedbackforschung, im realen Schulbetrieb den Nachweis zu erbringen, ein über KCR hinausgehendes Feedback würde den Lernfolg signifikant verbessern, weil der Vorteil elaborierten Feedbacks (EL ; Englisch elaborate, elaborated oder elaborative feedback genannt) nur unter bestimmten Bedingungen zu erwarten ist (siehe:Wann sind elaborierte Rückmeldungen einfachem KCR überlegen ? ). Im Gegensatz zu manchen Laborexperimenten wird man Studierende in einem Quiz äußerst selten mit Anforderungen konfrontieren, von denen sie niemals etwas gehört hatten. Denn bei vollkommener Unwissenheit erscheint die Rückmeldung der korrekten Antwort bei einer etwas anspruchsvollen Aufgabe meistens unzureichend. Elaboriertes Feedback dient dann als erste Lernaneignung und ist  in vielen Fällen unerlässlich, um ein Verständnis zu ermöglichen. Auf diese Weise lassen sich dann recht zuverlässig triviale Feedbackeffekte sichern (z.B. Moreno 2004). Im realen Schulalltag folgt ein Quiz oder Test jedoch meistens nach einer Instruktionphase sowie einer eigengesteuerten Testvorbereitung. In der Schulpraxis zeigen sich mehrere Probleme hinsichtlich der Wirksamkeit von EL, wie etwa

Die Studie von Chase & Hounanfar (2009) zeichnet sich u.a. dadurch aus, dass sie an einer ziemlich großen Studierendenstichprobe eine sehr umfangreiche Anzahl von Quiz sowie insgesamt 120 Lernerfolgsitems zugrundelegte, so dass auch kleine Treatmentunterschiede noch statistisch zuverlässig erfasst werden können. An der Untersuchung nahmen ca. 200 Studierende eines Psychologie Einführungskurses teil. Sie wurden nach Zufall auf nachfolgende 2 Feedbackbedingungen zugeteilt und bearbeiteten im Verlauf des Semesters insgesamt 10 Computerquiz mit jeweils 15 Aufgaben unter ihrer jeweiligen Bedingung. Die Quiz selbst wurden über das Internet, jedoch nicht von zu Hause, sondern an den Computern im Universitätslabor [höchstwahrscheinlich unter Aufsicht] - beantwortet und automatisch bewertet.[graded: vermutlich mit Noten]. Weil mir die genaue Feedbackprozedur trotz eines Beispiels nicht hinreichend verständlich war, bat ich den Erstautor um weitere Klarstellung, die dieser in einer Email vom 1.9.2009 näher verdeutlichte.

Es kann meiner Meinung nach kein Zweifel daran bestehen, dass hier in theoretisch hinreichendem Maße eine KCR-Prozedur gegen eine EL-Feedbackvariante zum Einsatz kam. Ich habe das Beipiel der Autoren (S. 283) etwas modifiziert und in etwa wie folgt verstanden:

KCR [basic feedback]
A psychologist asks 3-year-olds to explore a room filled with toys either with or without
their mothers present. The time the children spend exploring is measured. Exploration
time is thus an example of a(n)  variable, and the presence or absence of the
mother is a(n)  variable.

Elaborate feedback
A psychologist asks 3-year-olds to explore a room filled with toys either with or without
their mothers present. The time the children spend exploring is measured. Exploration
time is thus an example of a(n)  variable, and the presence or absence of the
mother is a(n)  variable.

Das Feedback selbst folgte jedoch abweichend der hier dargestellten Version nicht unmittelbar nach einer Aufgabe, sondern erst nach Bearbeitung des gesamten Quiz (=Feedback after test). Zusätzlich erhielten alle Studierenden stets eine Rückmeldung über ihr Gesamtergebnis (=Knowlegde of Performance). Als Lernerfolgskriterium diente eine große Teilmenge derselben Quizfragen in einem späteren Midterm- oder Abschlussexamen (insgesamt 120 Items). Da die Seminarkonzeption auf der PSI von Keller basierte, bearbeiteten die Studierenden ein bestimmtes Quiz gegebenenfalls mehrfach. Hierbei war jedoch sicher gestellt worden, dass bei einer Quizwiederholung stets andere Items getestet wurden, denen im übrigen lediglich KCR-Feedback folgte. D.h. die Items des jeweils ersten Quiz wurden nur einmal als experimentelle Übungsitems vorgelegt, um den Lernerfolg dann an denselben Items im Midtern- oder Abschlussexamens überprüfen zu können.

Die in den Quiz erzielten Leistungen beider Gruppen fielen mit jeweils 69% korrekter Aufgaben absolut vergleichbar aus. Im Mittel erzielte die EF (83%)-gegenüber der KCR-Gruppe (80%) signifikant bessere Leistungsergebnisse in den entsprechenden Items des Mid- bzw. Abschussexamens. Wie aus der Abbildung 1 hervorgeht, ergab eine gesonderte Analyse der 30 leichtesten und 30 schwierigsten Quizitems höhere Lernzuwächse für EF bei den schwierigen Testitems.

Abbildung 1

Die signifikante Wechselwirkung zwischen Aufgabenschwierigkeit und Feedbackmodus auf den Lernzuwachs entspricht den theoretischen Erwartungen insofern, als elaborierte Rückmeldungen bei sehr leichten Aufgaben eher unnötig sind. Wenn die Mitteilung der korrekten Antwort alleine aber nicht mehr ausreicht, was vornehmlich bei schwierigen Aufgaben der Fall ist, kann EL das Verständnis in etlichen Fällen fördern. Wird elaboriertes Feedback aufmerksam studiert, so mag es sogar unsicher erreichte korrekte Lösungen stabilisieren, obgleich der Haupteffekt der Feedbacks in der Korrektur von Fehlern liegt.

Die statistische Verarbeitung der Daten mutet ungewöhnlich an und bleibt mir erklärungsbedürftig. Ich konnte z.B. die Streuung der Lernerfolgsmaße sowie die df's in der Varianzanalyse nicht nachvollziehen und habe deshalb auf die Berechnung von Effektstärken verzichtet.. Leider wurden im Quiz und Lernerfolg nur identische Items verwendet, so dass letzlich nur exakt Eingeübtes stabilisiert wurde und ein möglicher Transfereffekt unbekannt bleibt. Das Ausmaß des durchschnittlichen Lernvorteils von 3 % erscheint zwar nicht sonderlich hoch. Bedenkt man jedoch die bereits relativ hohen Erfolgsquoten von 69% in den Quiz und rechnet den erwarteten Lerneffekt durch KOR und KCR ein, dann erscheint der potenzielle Leistungsspielraum für EL auch nicht mehr sonderlich groß. Bei den schwierigen Aufgaben erzielten die Studierenden mit EL aber immerhin einen signifikanten und deutlichen Lernzuwachsvorteil von 7 Prozent. Das Ergebnis der Studie liefert so ein Argument für die praktische Empfehlung, zumindest bei wichtigen und vorallem schwierigen Aufgaben neben KOR und KCR zusätzlich elaboriertes Feedback anzubieten.

Literatur
Chase, J.A & Houmanfar, R. (2009).  The Differential Effects of Elaborate Feedback and Basic Feedback on Student Performance in a Modified, Personalized System of Instruction Course. Journal of Behavior Education  18, 245–265

created 1.9.2009; Bernhard Jacobs


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