"Empathie, Kompetenz und Altruismus"

Dr. Christoph Paulus,
Universität des Saarlandes,
FR 6.1. Erziehungswissenschaft,
66041 Saarbrücken © 1992

(zuletzt aktualisiert am 08.11.17)

Inhalt:

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Zusammenfassung

Die endozentrische Motivation definiert sich in der aktuellen Altruismusforschung vor allem durch die selbstwertmotivierte oder moralisch motivierte Hilfsbereitschaft. Diese egoistische Variante der endozentrischen Motivation wurde in der vorliegenden Arbeit näher untersucht und spezifiziert. In einem 2 (kompetenz- vs. empathisch motivierter Helfer) x 2 (Opfer wünscht Hilfe vs. wünscht keine Hilfe)- design wurden die Fragen "Beginnen kompetenzmotivierte Helfer später mit der Hilfe?" und "Interagieren Dauer der Hilfe und Motiv?" untersucht. Es zeigte sich ein den Erwartungen entsprechender deutlicher Interaktionseffekt: Kompetenzmotivierte Helfer bieten trotz eindeutiger verbaler Ablehnung des Opfers ihre Hilfe von Beginn an an, während empathische Vpn dies nicht tun; im Fall der Dauer der Hilfe gilt entsprechendes: Kompetenzmotivierte Helfer helfen trotz abgelehnter Hilfe deutlich länger. In beiden Fällen kann von einer echten disordinalen Interaktion ausgegangen werden.


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Einleitung

Hilfeverhalten kann, folgt man KARYLOWSKI (1982), "endozentrisch" oder "exozentrisch" motiviert sein, m.a.W. man tut Gutes, um sich selbst gut zu fühlen (der endozentrische Fall) oder um zu bewirken, dass der Empfänger der Hilfeleistung sich gut fühlt (der exozentrische Fall). Die endozentrische Motivation definiert sich in der vorliegenden Altruismusforschung vor allem durch die selbstwertmotivierte oder moralisch motivierte Hilfsbereitschaft. Weitgehend außer acht gelassen wurde, dass der Helfende sich durch seine Hilfeleistung auch ein Erleben der eigenen Effizienz oder Kompetenz vermitteln kann. Diese egoistische Variante der endozentrischen Motivation wird im vorliegenden Experiment näher untersucht.

Die Tatsache, dass bei endozentrischer Hilfeleistung die Aufmerksamkeit weniger auf das Opfer als auf den Helfer selbst gerichtet ist, führt zu der Überlegung, dass "the major characteristic of endocentric approaches to altruistic behavior is the assumption that what is reinforcing for the helper is not (...) in the external world (...) but the very fact that the change has been caused by the helper himself." (KARYLOWSKI, 1982). Die Hilfeleistung ist also nur Mittel zum Zweck. Bei dem von den Autoren untersuchten speziellen endozentrischen Motivtyp kommt noch eine weitere Komponente beim Helfer hinzu, nämlich die, dass er sich bei bestimmten Fähigkeiten als kompetenter als andere (insbes. das Opfer) ansieht und dies auch bestätigt haben möchte, sei es durch interne oder externe Prozesse. Dieses Streben nach Bestätigung der eigenen Kompetenz kann in hilferelevanten Situationen dazu führen, dass ein so motivierter Mensch Hilfe anbietet oder auch tatsächlich leistet, wenn die Situation bzw. das Lindern der Notlage des Opfers diese seine spezielle Fähigkeit erfordert. Auf die Unterscheidung zwischen Hilfe 'anbieten' und 'leisten' soll hier besonders hingewiesen werden, denn es spielt zur Motivzielerreichung beim Helfer keine Rolle, ob die Handlung auch tatsächlich zum Erfolg führt. Dies ist der entscheidende Unterschied zur Leistungsmotivation, denn befriedigend für den Kompetenzmotivierten ist nicht das Handlungsziel, sondern das Verhalten, der Handlungsablauf selbst. "Motivierend ist das Gefühl der Wirksamkeit (feeling of efficacy), woraus eine vielfältige Kompetenzsteigerung resultiert." (HECKHAUSEN, 1989). Dies wird auch durch die Tatsache belegt, dass Kompetenzmotivierte, die sich zu einer Hilfe bereit erklären, dann aber durch äußere Umstände an der aktiven Durchführung gehindert werden, trotzdem ihren Selbstwert erhöhen, ohne die Notlage des Opfers gelindert, also das Problem gelöst, zu haben (vgl. BATSON et al., 1989).

Das Kompetenzmotiv entsteht als Vorläufer der Leistungsmotivation, wobei noch nicht genau bekannt ist, was im Laufe der Entwicklung zum Leistungsmotiv mit dieser Motivkomponente geschieht. Sie kann als eigenständiger Typ durchaus existent und wirkungsvoll bleiben. Das Kompetenzmotiv ist ein wichtiger Knotenpunkt in der Leistungsmotiventwicklung, ist aber, wie bereits gesagt, nicht identisch mit diesem. Insbesondere bei Kindern fehlt noch die Rückbeziehung des Handlungseffektes auf die eigene Tüchtigkeit. Dazu ist ein weiterer Schritt notwendig, der "über eine Differenzierung des Schemas der eigenen Person zur Entwicklung eines Schemas der eigenen Tüchtigkeit führt." (SCHMALT & MEYER, 1976).Das Kompetenzmotiv dient nicht der Erreichung bestimmter Handlungsziele als solche, sondern der Erfahrung der eigenen Wirksamkeit in der Abfolge von Handlung und Rückwirkung der Umwelt (HECKHAUSEN, 1974; HECKHAUSEN et al., 1962). Für die Hilfeleistungssituation heißt das, dass nicht die Linderung der Notlage des Opfers motivierend ist (=Ziel), sondern nur der Akt der Hilfe(=Handlungsablauf); ebenso wird die Dauer der Hilfeleistung nicht vom Erreichen des Zieles abhängig gemacht wie etwa bei altruistisch motivierten Helfern, sondern davon, wie lange die Handlung als solche noch motiviert ist. Kompetenzmotivation "läßt sich deshalb als eine zweckfreie Funktionsmotivation bezeichnen, die zwar intrinsische und sachbezogene Züge mit dem Leistungsstreben gemeinsam hat, aber doch gerade einen entscheidenden Aspekt nicht aufweist." (HECKHAUSEN, 1974). HECKHAUSEN charakterisiert den kompetenzmotivierten Menschen in Anlehnung an WHITE (1959) als "nach Möglichkeit jemand zu sein, der mit vernünftigem Aufwand an Anstrengung und Zeit etwas zustande bringt, das sich, verglichen mit dem bisher Zustande gebrachten, sehen lassen kann, weil es das Bestehende ändert, verbessert und einen gewissen Bestand zu haben scheint." Auf diese Weise erzielte Handlungsergebnisse, wobei die Betonung auf 'Handlung' liegt, werden auf die eigene Person als Urheber zurückgeführt, so, dass die Frage nach der eigenen Tüchtigkeit (Kompetenz) im Vordergrund steht.

Die Erwartung positiver Folgen für das Individuum selbst sind als Motiv für Hilfeleistung eindeutig egoistischer Natur. Die Person hilft, um sich selbst dahingehend zu bestätigen, was für ein toller Typ sie sei und so ihr Selbstwertgefühl zu erhöhen. Dass dabei die Gefühle und Wünsche des Opfers zu kurz kommen, interessiert im ersten Augenblick nicht, da der kompetenzmotivierte Helfer seine Aufmerksamkeit nur auf sich selbst gerichtet hat. Dabei dürfen allerdings die situativen Bedingungen nicht vergessen werden. So müssen wir in uns die Ressourcen finden, eine der Situation angemessene Hilfe zu leisten.

In der o.g. Arbeit von BATSON et al. aus dem Jahre1989 finden sich zahlreiche Hinweise auf die Verflechtung von Empathie und Kompetenz als unterschiedliche Motive mit gleicher praktischer Handlungsfolge. In seiner Beschreibung der egoistischen Motivation taucht bereits zu Beginn der Hinweis auf ein Kompetenzmotiv auf: "To the degree that helping is directed toward the ultimate goal of enhancing the helper's own welfare, either through providing rewards (e.g. self-esteem)..., it can be said to be egoistically motivated."(S.873). An anderer Stelle findet sich der Hinweis darauf, dass egoistische Hilfeleistung auch dann angeboten und geleistet wird, wenn sie vom Opfer nicht gewollt wird ("with atendency to offer help both when it was wanted and when it was not.") (S. 874). Dass eine mögliche Ausprägung eines egoistischen (endozentrischen) Motivs sehr wohl das Kompetenzmotiv sein könnte, verdeutlicht eine weitere Beschreibung von BATSON et al., in der diese Motivation durch die Situation definiert wird: "you help in order to gain the self-satisfaction and pride of showing yourself tobe a good person"(S.874). Hier wird eine Verbindung von Empathie und Kompetenz aufgezeigt, die im folgenden etwas genauer präzisiert und experimentell untersucht werden soll.

Dem entgegengesetzt stehen exozentrisch motivierte Hilfeleistungen. Diese zielen einzig und allein auf die Notlinderung des Opfers ab. Dabei muß der "Helfer" gar nicht selbst eingreifen, es genügt ihm zur Befriedigung seines Motivs, wenn dieser angestrebte Umstand eintritt, möglicherweise auch durch andere Helfer oder dadurch, dass sich das Opfer selbst aus der Lage befreit. Diese Art der Hilfe ist in der Regel empathisch motiviert. Da die Beziehung Empathie - Hilfe in der Literatur bereits vielfältig beschrieben wurde (s. bpslw. BATSON, 1991; BIERHOFF, 1989; BORKENAU, 1991), soll darauf hier verzichtet werden.


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METHODE

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Versuchspersonen

Versuchspersonen waren 33 männliche und 24 weibliche Studenten der Universität des Saarlandes, die als "Experten" angeworben wurden. Als "Experte" wurde bezeichnet, wer im Laufe seines Studiums mindestens einen Mathematik- bzw. Statistikschein erworben hatte.

Der Altersdurchschnitt lag bei 23,4 Jahren (s=2.3) bei den Männern und bei 23.6 Jahren (s=4.8) bei den Frauen. Es mußte auf die Auswertung der Daten von 9 Testpersonen (8m,1w) verzichtet werden, da sie nicht eindeutig einer der beiden Motivtypen zuzuordnen waren bzw. das Thema der Untersuchung ahnten.


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Materialien

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Saarbrücker Persönlichkeits-Fragebogen (SPF(IRI))

Der mehrdimensionale Empathieansatz erscheint derzeit am besten im Interpersonal Reactivity Index (IRI) von DAVIS (1983) berücksichtigt zu sein. Er unterteilte bei der Konstruktion des IRI, ausgehend von der Überlegung, dass sowohl affektive als auch kognitive Komponenten bei empathischer Reaktion vorhanden sein können, Empathie in vier miteinander in Beziehung stehende Subgruppen: perspective taking (PT), fantasy (FS), empathic concern (EC) und personal distress (PD). Somit wird auch die von BATSON vorgeschlagene Unterscheidung zwischen egoistischer (personal distress) und altruistischer (empathic concern) Emotion bzw. Motivation berücksichtigt.

PT mißt dabei die Fähigkeit, spontan eine Sache aus der psychologischen Perspektive eines Anderen sehen zu können; die fantasy scale (FS) erfasst die Tendenz der Vp, sich in die Rolle und Handlungsweise von Figuren in Romanen oder Filmen zu versetzen. Die restlichen beiden Subscalen stellen Operationalisierungen der typischen emotionalen Reaktionen eines Beobachters dar: Die EC-Scala dient zur Messung fremd-orientierter Gefühle wie Mitleid oder Sorge um Personen in Not, die PD-Scala dagegen soll eigenfokussierte Gefühle wie Unruhe oder Unwohlsein in engen interpersonalen Beziehungen messen. Zusätzlich zu den ins Deutsche übersetzten Items wurden noch 7 Kompetenzaussagen eingebaut, um auch diesen Faktor innerhalb des gleichen Fragebogens erfassen zu können. Deshalb erhält die neue (übersetzte und erweiterte) Form des IRI im folgenden die Bezeichnung SPF(IRI). Der Fragebogen kann hier geladen werden.


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Selbst- und Fremdbewertung ( SFB )

ROSEN konstruierte 1984 eine Methode zur Selbst- bzw. Fremdbewertung, die auf vier Skalen zu je 6 Items aufbaut: (a) eigene Kompetenz, (b) Kompetenz des Opfers, (c) eigene Fähigkeit zur Geselligkeit (sociability), (d) Geselligkeitsfähigkeit des Opfers. Dem Fragebogen liegen zwei Faktoren zugrunde: (1) "Geselligkeit" (sociability), auf dem die Begriffe sensitivity, altruism, kindness, likability, modesty und sympathy hohe Ladungen aufwiesen;(2) "Kompetenz" (competence) mit hohen Ladungen der Items strength, capability, sophistication, poise, skill und competence. Jede Vp wird gebeten, sich selbst und die zu beurteilende Person (=Opfer) auf diesen Skalen einzuschätzen, danach werden die 6 ratings auf jedem Faktor addiert. Diese 4 scores können dann erneut auf zwei "Überlegenheitsscores" reduziert werden und zwar, indem der score für Geselligkeit bzw. Kompetenz für das Opfer vom score der Eigeneinschätzung der Vp abgezogen wird. Ein positiver Differenzwert bedeutet ein Über-, ein negativer Wert ein Unterlegenheitsgefühl des Helfers ggb. dem Opfer. Dieser Wert läßt sich getrennt für beide Faktoren errechnen.

Protokollbogen zur Bewertung der Aufgabenschwierigkeit

Dies schien aus Sicht der Vp ihre eigentliche Aufgabe zu sein. Hierbei bewertete der Pb die einzelnen Aufgaben unter drei Kategorien (s.u.). Diese Bewertungsaufgabe gab dem Kompetenzmotivierten Gelegenheit, seine Überlegenheit, seine Kompetenz zu erkennen. Die Kategorien 1 und 2 dienten der Gegenüberstellung von (subjektiver) eigener Kompetenz und (wahrgenommener) Kompetenz des "Opfers"; Kategorie 3 diente als Füller.


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Nachbefragung

Die Nachbefragung bestand aus zwei Teilen:

a) Der eigentlichen Befragung, in der die Vpn nochmals gebeten wurde, ihre Entscheidung zur Hilfeleistung zu begründen und in der auch in einem Item geprüft wurde, ob der Pb einen Verdacht über die angebliche Streßsituation von Heike (Uwe) geschöpft hatte und

b) dem SFB, der hier als Teil der Nachbefragung ausgegeben wurde, um die Vpn nicht mit zu vielen unterschiedlichen Fragebögen zu belasten.


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Versuchsablauf

SPF(IRI)

Vor Beginn der eigentlichen Untersuchung wurde die Vp gebeten, den SPF(IRI) auszufüllen, mit der Begründung, dass so ihre spätere Bewertung besser beurteilt werden könne. Danach erhielt sie zwei geschlossene Umschläge, in denen sich laut Angaben des Vl jeweils ein zu bewertendes Protokoll befand. Der Vl erklärte, er kenne den Inhalt der Umschläge dem Wortlaut nach nicht und bat die Vp, sich für einen Umschlag zu entscheiden. Tatsächlich befanden sich in den Umschlägen fiktive Protokolle, einmal mit der Bitte um Hilfe und einmal mit der deutlichen Ablehnung des Hilfsangebotes. Die Umschläge enthielten jeweils ein Protokoll, einen Bewertungsbogen, sowie einen geschlossenen Briefumschlag. Der Vl erklärte, in diesem Briefumschlag sei eine Nachbefragung, in der normalerweise Informationen über den 'Experten', wie ihm z.B. sein Studium gefalle etc., erfragt würden. Dieser Umschlag sollte aber erst geöffnet werden, wenn das Protokoll ganz gelesen worden sei (dies stand auch auf dem Briefumschlag). Der tatsächliche Inhalt dieses Umschlages wird in weiter unten beschrieben. Bevor das Protokoll von der Vp gelesen werden konnte, erhielt sie folgende Information:

Vorinformation: "Auf den folgenden Seiten werden Sie die Mitschrift eines Versuchsablaufes finden, der heute morgen hier stattgefunden hat. Sie erhalten ein Protokoll, das den Wortlaut der Sitzung wiedergibt und sehen diese nicht z.B. per Video, damit Sie Sich nicht von optischen Informationen in Ihrem Urteil beeinflussen lassen. Es geht dabei um die Entwicklung einer neuen Aufnahmeprüfung für Studenten/-innen der mathematisch-naturwissenschaftlichen (bzw. philosophischen) Fachrichtungen in Form eines Fragebogens. Die Aufgaben dieses Fragebogens werden Sie jeweils an geeigneter Stelle im Protokoll sehen. Die Versuchspersonen sind Studenten aus nicht-naturwissenschaftlichen (bzw. philosophischen) Studiengängen. Da die Prüflinge normalerweise bei Aufnahmeprüfungen unter Streß stehen(Nervosität), soll experimentell untersucht werden, mit welchem Erfolg Versuchspersonen diesen Fragebogen unter Streß bearbeiten. Der Streß wird im Experiment dadurch erzeugt, dass bei jeder falschen Antwort ein unangenehm lauter Ton auf dem Kopfhörer, den die Versuchsperson trägt, zu hören ist. Die Vp heißt Heike (bzw. Uwe) S., ist 20 Jahre alt und studiert Geschichte im 2. Semester.

Ihre Aufgabe: Bitte lesen Sie das folgende Protokoll genau durch. Ihre Aufgabe besteht darin, anhand der beschriebenen Reaktionen und den Äußerungen der Versuchsperson (Vp) nach jeder Aufgabe auf einem Fragebogen folgende Bewertungen abzugeben:

  1. Wie schwer finden SIE die Aufgabe?
  2. Wie schwer, glauben Sie, findet die VERSUCHSPERSON die Aufgabe?
  3. Glauben Sie, dass sich die Streßbedingung auf das Lösen der Aufgabe ausgewirkt hat?

Ihre Belohnung: Wenn Sie das Experiment beendet haben, bekommen Sie eine Liste von Preisen in unterschiedlicher Qualität, aus denen Sie Sich Ihre Belohnung aussuchen dürfen; die Preise sind der Übersicht wegen nach Gruppen geordnet und zwar so, dass jeweils eine Preisgruppe 4 protokollierten Aufgaben entspricht. Haben Sie also 4 Aufgaben beschrieben, wählen Sie Preise aus der Kategorie 0, bei 8 Aufgaben aus der Kategorie I usw. bis zu (allen) 20 Aufgaben, was Sie berechtigt, aus der Kategorie IV, den attraktivsten Preisen zu wählen." Dies wurde vom Vl mündlich durch schlechte Erfahrungen in Experimenten mit Belohnungen erklärt.


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Protokoll der Experimentalsitzung

Dieses Protokoll lag in vier Versionen vor, von denen je zwei mit einer Ablehnung und zwei mit einer Annahme der angebotenen Hilfe endeten, ebenfalls existierten zwei Fassungen, in denen das "Opfer" männlich (Uwe) bzw. weiblich (Heike) war. Dieses Protokoll beinhaltete sowohl den angeblichen Wortlaut sowie auch Beschreibungen der Reaktionen des "Opfers" in deutlich unterscheidbaren Schrifttypen. Die Stellen, an denen die Vp ihre Bewertung der Aufgaben und deren Lösung vornehmen sollte, waren markiert. Die ersten beiden der darin beschriebenen Aufgaben kann das 'Opfer' lösen, bei der 3. Aufgabe nennt es eine falsche Lösung. Die Reaktion auf den folgenden Ton im Kopfhörer wird als recht heftig beschrieben. Trotzdem geht das Experiment weiter. Die nächste Aufgabe (Nummer 4) wird wieder falsch gelöst. Jetzt zeigt Uwe (Heike) sehr starke aversive Reaktionen, worauf der Vl den Versuch abbrechen möchte. Uwe (Heike) weigert sich aber. Daraufhin bietet der Vl an, den Experten um Hilfe bei der Aufgabenlösung zu bitten. Das Opfer antwortet nun -je nach experimenteller Bedingung- mit ja oder nein. Nun wird vom Experten eine Antwort auf die Frage des Vl erwartet, denn die Situation wird so geschildert, als sei Uwe (Heike) im Raum nebenan und erwarte eine Antwort. Dies setzte die eigentliche Vp unter Zugzwang, sie mußte sich spontan entscheiden. Hier endete das Protokoll.

Der Experte öffnete nun den Briefumschlag mit der angeblichen Nachbefragung. Darin erhielt er folgende Information: "Sehr geehrter "Experte", wie Sie eben gelesen haben, hat die Versuchsperson ein persönliches Problem bei der Teilnahme am Experiment.

Daraus ergeben sich für Sie folgende Möglichkeiten:

A) Sie können Ihre spezielle Aufgabe, nämlich die Beurteilung der einzelnen Testaufgaben, bis zur Nummer 20 weiterführen, womit Sie Ihre Aufgabe voll erfüllt und den höchstmöglichen Preis verdient haben. Da die Vp die restlichen Aufgaben erst im Anschluß an Ihre Entscheidung bearbeiten kann, müßten Sie nur bereit sein, den fehlenden Teil des Protokolls zuhause zu beurteilen, d.h. wir schicken Ihnen dieses incl. frankiertem Rückumschlag zu und Sie senden es dann an uns zurück.

B) Sie können Ihren Teil des Experiments vorerst ruhen lassen und der Vp bei der Aufgabenlösung zur Seite stehen, müßten dann gleichzeitig Aufgaben lösen und Beurteilen. Wenn Sie dies tun möchten, geben Sie bitte an, ab wann Sie in die Aufgabenbearbeitung eingreifen wollen (vielleicht möchten Sie der Vp erst noch etwas Gelegenheit geben, selbst noch ein paar Aufgaben zu lösen) und bei wie vielen Aufgaben Sie noch mitarbeiten wollen.

Ich möchte beginnen bei Aufgabe (5-15):_______

und möchte bei insgesamt (max.11):_____ Aufgaben noch mitmachen.

C) Ich möchte die Teilnahme beenden. Ich weiß, dass ich dadurch nur Anspruch auf einen Preis einer kleineren Kategorie habe. Bitte kreuzen Sie einfach diejenige Möglichkeit A,B,C an, die Sie für Sich auswählen. Sollten Sie Sich für B entscheiden, bitte vergessen nicht die zusätzlichen Angaben zu ergänzen."

Es folgte handschriftlich der Satz: "Ich danke Ihnen für Ihre Mitarbeit", sowie die Bitte, auf der Rückseite des Blattes noch einige Fragen zu beantworten. (Dabei handelte es sich um den SFB und einige Kontrollfragen).

Nach Beendigung der Nachbefragung und der Bitte um Stillschweigen über den Versuchsablauf erhielt jeder Pb 10,-DM als Belohung, was der höchsten beschriebenen Kategorie entsprach. Die vorgegebenen unterschiedlichen Preiskategorien existierten nicht.


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Debriefing

Der Vp wurde erklärt, dass es immer mal wieder vorkäme, dass "Versuchspersonen" (also 'Heike' und 'Uwe') aus irgendwelchen Gründen nicht alle 20 Testaufgaben lösen würden. Deshalb hätten wir uns entschlossen, zusätzlich zu der Entwicklung des Eignungstestes noch ein weiteres Experiment unter der Fragestellung "Entscheiden sich Experten in unvorhergesehenen Situationen anders als Laien?" durchzuführen. Und dies sei auch die Erklärung für die zwei Umschläge vom Anfang: In einem sei nämlich ein ganz normales Protokoll mit 20 Testaufgaben gewesen, in dem anderen die Mitschrift einer Sitzung, bei der nicht alle Aufgaben gelöst worden wären; diesen Umschlag hätte sie, die Vp, wohl gezogen. Deshalb stünde ihr auch die volle Belohnung zu, da sie ja nichts dafür könne, wenn ihre 'Protokollperson' nicht alle Aufgaben bearbeitet hätte. Mit der Bitte, von dieser zweiten Variante nichts weiterzuerzählen, wurde der Vp nochmals für ihre Teilnahme gedankt.


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ERGEBNISSE

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Zur Motivationsdiagnose

Der zentrale Punkt dieser Arbeit besteht in dem Versuch, Empathie und Kompetenz als Motive zu erkennen und darauf aufbauend unterschiedliche Handlungsentscheidungen zu begründen. Nun ist es nicht so einfach, zu sagen, aus welcher Motivation heraus jemand in einer bestimmten Situation agiert, jedes Umfeld besitzt interpersonell unterschiedlichen Anreizcharakter, bei jedem Menschen sind einzelne Motive zwar in mehr oder minder großer Ausprägung vorhanden; welches jedoch in unserer speziellen Testsituation wirksam wurde, ist mittels eines einzigen Fragebogens nicht zu beantworten. Deshalb wurde versucht, mehrere in ihrer Form unterschiedliche Meßmethoden einzusetzen. Es werden folgende Informationen zur Diagnose herangezogen (in der Reihenfolge ihrer Wertigkeit):

a) Direkte Frage nach dem Entscheidungsgrund mit offener Antwortmöglichkeit ("Was war der Grund für Ihre Entscheidung ?"). Die Einschätzung des Motivtyps geschieht nach zentralen Worten bzw. Aussagen. Beispiel: "Ich hatte Mitleid..."(EM) oder "Ich glaube, dass ich der Vp durch Erläutern etwas logisches Denkvermögen beibringen kann..."(KM).

b) Der "Saarbrücker Persönlichkeits-Fragebogen", der eine übersetzte Form des "Interpersonal Reactivity Index" plus neuen Items zur Messung der Kompetenzmotivation darstellt. Die darin enthaltenen Skalen werden einzeln addiert und bilden so 5 Scores. Von jedem Score wird gemessen, ob er sich oberhalb des Bereiches einer Standardabweichung vom Stichprobenmittelwert befindet. Wenn ja, so gilt er als möglicherweise situationsrelevant. Außerdem können Scores aus Zusammenfassungen der Untertest gebildet werden: Altruistische (EC+PT) sowie egoistische Motivation (PD+KM).

c) Weitere Informationen liefert der Fragebogen zur Selbst- und Fremdbewertung (SFB). Er mißt allerdings eher ein generelles Gefühl der Überlegenheit über das Gegenüber, was aber wichtig im Zusammenhang mit Kompetenzmotivaktivierung steht.

d) "Kat2-1": Der Vergleich der geschätzten Schwierigkeitsgrade von Experten und Laien. Je größer die Differenz, desto deutlicher dürfte der subjektiv wahrgenomme Unterschied in der "Qualifikation" sein.


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Vorgehensweise

Die erhobenen Maße wurden in der oben genannten Reihenfolge ausgewertet, d.h. als am wichtigsten wurde die offene Antwort der Vp angesehen. Wenn die Person auch dann noch übereinstimmende Mittelwertsabweichungen aufwies, so wurde eine Zuteilung zu der entsprechenden Motivgruppe als ausreichend belegt angenommen. Sollten sich keinerlei herausragende Meßwerte feststellen lassen, so fiel die Vp unter die Kategorie "nicht eindeutig zuordnenbar". Es kam auch vor, dass die Meßgrößen relativ eindeutig in eine Richtung zeigen, die offene Antwort aber in eine andere. Dies wurde durch die subjektiv unterschiedliche Anreizstärke erklärt, denn die geschilderte Notlage des Opfers war in ihrer Beschreibung stark emotional geladen.


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Interkorrelation der Verfahren

Wenn, wie hier, mehrere Verfahren zur Diagnose von Vpn gleichzeitig zum Einsatz kommen, stellt sich die Frage nach der Interkorrelation der Verfahren, insbesondere, wenn dadurch eine zentrale Klassifikation erfolgt. In unserem Fall wurden die Vpn den Motivgruppen empathisch motiviert (EM) bzw. kompetenzmotiviert(KM) zugeordnet (näheres über die Güte der Zuordnung siehe unten).Allerdings ist es so, dass die benutzten Verfahren nicht alle das gleiche messen sollen, sondern nur jeweils Teilaspekte, also entweder hohe Ausprägung von Empathie (SPF), subjektiv wahrgenommene Überlegenheit (SFB) oder Kompetenzunterschiede gegenüber dem Opfer (Kat2-1). In einigen Meßinstrumenten stecken auch Informationen aus anderen Bereichen, so dass es zu Überschneidungen kommen kann. Deshalb und weil nicht jeder subjektive Wert jeder Vpn aus allen Tests in die Diagnose mit eingeht, dürfen wir keine großen Interkorrelationen der Verfahren erwarten. Erkennbar ist aber, dass alles in allem die KM-Diagnose besser gelungen zu sein scheint als die EM-Beurteilung. So korreliert das Motiv KM mit den Skalen des SFB r =.44 (p<.01) für subjektive Kompetenz-Überlegenheit und r = -.13 mit Soziabilität; mit der Kategorie 'Kat2-1' ergibt sich ein Zusammenhang von r =.38 (p<.01). Dem Betrag nach gleiche Werte, jedoch mit umgekehrten Vorzeichen, gelten für die Gruppe der EM.


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Zum Problem der Test-Gütekriterien

Jedes Testergebnis ist ohne Zweifel abhängig von den Methoden und der Güte seiner Messung. Dies gilt insbesondere bei der Verwendung von übersetzten Fragebögen, bei dem die Testkennwerte des Originals nicht als geltend hingenommen werden dürfen. Da zusätzlich noch einige neue Items zur Messung eines weiteren Motivs(Kompetenz) hinzugefügt wurden, können die original Konsistenzwerte nicht mehr gelten gelassen werden. Deshalb haben wir an unserer Stichprobe die Kennwerte für die Konsistenz neu errechnet. Es ist klar, dass bei die Vpn-Zahl für eine aussagekräftige Berechnung zu klein war, zur Überprüfung der Güte des Fragebogens für unsere Zwecke genügte die Stichprobe jedoch.


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Interne Konsistenz

Im folgenden werden Konsistenzschätzungen der 5 Subskalen (EC,FS, PT, PD, KM) angeben; ein Gesamtreliabilitätswert wurde durch Teilung der Testhälften in zwei gleiche Teile berechnet, von denen jeder eine ungefähr gleiche Anzahl Items aus jedem Subtest enthielt. Zusätzlich wurde durch Summierung der Faktoren EC, FS und PT ein "intrinsischer", sowie durch Addierung von PD und KM ein "extrinsischer" Reliabilitätswert konstruiert.

Tabelle 1: Interne Konsistenz
Subtest SPF(IRI) Original IRI
EC 0,70 0,70
FS 0,71 0,78
PT 0,73 0,73
PD 0,58 0,76
KM 0,46 - - -
Intrinsisch 0,88
Extrinsisch 0,67
Gesamttest 0,87

Der Gesamttest weist mit 0.87 ein sehr zufriedenstellen des Ergebnis auf, was bedeutet, dass dieses Verfahren in unserem Rahmen einsetzbar ist, zumal es nicht allein ausschlaggebend ist, sondern nur als ein Merkmal unter vielen rangiert.


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Fühlen sich KM subjektiv kompetenter als EM ?

Die Frage müßte eigentlich lauten: Sind KM überhaupt kompetent? Dahinter steht der Gedanke, ob die Einteilung der Vpn in die Gruppen EM und KM tatsächlich dazu führt, dass sich diese in den wichtigen Variablen unterscheiden; m.a.W. sind die Mitglieder der KM-Gruppe kompetenter als die der EM-Gruppe und sind diese empathischer als ihr Gegenüber aus der KM-Gruppe ?

Tabelle 2: Mittelwertsunterschiede zwischen den Experimentalgruppen
Kat 2-1 SFB-EM EC+PT+FS EC KM Alter
EM 3,35 2,86 74,18 25,38 21,10 24,29
KM 4,89 8,36 76,15 25,78 24,74 22,78
p <... ,01 ,01 n.s. n.s. ,05 n.s.

Hier kann auch der Unterschied zwischen actual und perceived competence betrachtet werden. Die vorhandenen Kompetenzmaße geben über beide Aspekte Auskunft. Tatsächliche (actual) Kompetenz läßtsich in der Spalte 'Kat2-1' ablesen, subjektiv wahrgenommene (perceived) Kompetenzgefühle können mit dem KM-Untertest des SFB in Verbindung gebracht werden. Eine generelle Neigung zu kompetenzmotiviertem Verhalten zeigt der Mittelwertsvergleich in der Spalte SPF(IRI)-KM. In allen Größen unterscheiden sich KM von EM deutlich signifikant. Was die Empathie angeht, so steht als (Fragebogen-) Resultat nur das Ergebnis des SPF(IRI) zur Verfügung. Dieser liefert sowohl in der reinen EC-Skala, als auch in der Zusammenfassung zwischen empathie-relevanten Subskalen keinen deutlichen Unterschied. Die Einteilung der Vpn in der EM-Gruppe ist dennoch nicht falsch, denn die freie Antwort der Vp ist nicht in Tabelle 1 mit eingegangen. Schaut man nach, wie denn die Einteilung tatsächlich vonstatten gegangen ist, so stellt man fest, dass fast 2/3 der Vpn anhand dieses Kriteriums klassifiziert wurden und nur 1/3 nach den anderen Maßen. Dies liefert die Erklärung für die Tatsache, dass mittels des SPF keine Unterschiede festgestellt werden konnten bzgl. der Empathie-Skalen.


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Beginnen kompetenzmotivierte Helfer später mit der Hilfe?

Der experimentelle Aufbau der Testsituation ließ eine Beteiligung der Vp ab Aufgabe Nr. 5 zu. Deshalb müßten in der Hilfesituation die Mittelwerte um diesen Wert streuen, in der Situation keine Hilfe' aber gegen Null konvergieren. Tabelle 3 zeigt die Mittelwerte der 4 Zellen; die Zahl in Klammern gibt N an.

Tabelle 3: Mittelwerte des Beginns der Hilfe
EM KM
Hilfewunsch 5,67 (12) 4,00 (16)
Hilfe abgelehnt 1,11 (9) 4,90 (11)

Erwartet wurde eine Interaktion zwischen Motiv und Beginn der Hilfeleisung derart, dass in der Bedingung 'Hilfe' die EM sofort helfend eingreifend, während KM Vpn möglicherweise später beginnen. Dazu wurde allen Vpn in der Möglichkeit B der Handlungsalternativen (s.o.) der Vorschlag unterbreitet, vielleicht möchten sie der Vp (=Opfer) noch etwas Gelegenheit geben, allein mit der Sache weiterzumachen.

Die zweifaktorielle Varianzanalyse lieferte folgende Ergebnisse:

Tabelle 4: Beginn der Hilfe
QdV. QS df mQ F (p<...)
A: Wunsch nach Hilfe 4,60 1 4,60 0,37 (n.s.)
B: Motiv 26,27 1 26,27 2,11 (n.s.)
A x B 85,85 1 85,85 6,89 (< ,01)
Fehler 548,47 44 12,47
total 665,67 47

Der disordinale Interaktionseffekt entsprach der Erwartung, Haupteffekte dürften in diesem design nicht auftreten, denn dies würde bedeuten, dass zusätzlich eine der Variablen MOTIV oder HILFEWUNSCH eine eigenständige Wirkung auf die abhängige Variable hätte.

Abbildung 1: Disordinale Interaktion Motiv x Hilfewunsch für Variable 'Beginn derHilfe'

Abbildung 1 zeigt, dass es sich um eine echte disordinale Interaktion handelt, die nur dann auftritt, wenn beide Haupteffekte für sich genommen bedeutungslos sind und nur in Verbindung mit der jeweiligen anderen Variablen aussagekräftig werden.


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Interagiert die Dauer der Hilfe mit dem Motiv ?

Falls sich die Vp für eine Hilfeleistung entschieden hatte, so wurde auch danach gefragt, bei wie vielen Aufgaben sie noch behilflich sein wolle. Die mögliche Antwort konnte zwischen 0 bis maximal 11 variieren. Im Mittel antworteten die Experimentalgruppen wie folgt (in Klammern stehen wiederum die Zellenbesetzung):

Tabelle 5: Durchschnittliche Dauer der Hilfe
EM KM
Hilfewunsch 7,16 (12) 4,69 (16)
Hilfe abgelehnt 2,45 (9) 8,18 (11)

Erwartet wurde, dass kompetenzmotivierte Personen auch hierbei einen egoistischeren Maßstab zugrunde legen und sie deshalb im Mittel in der Bedingung 'keine Hilfe x KM' deutlich über dem Wert der empathischen liegen würden. Auch in diesem Fall dürfte sich nur ein Interaktionseffekt zeigen, Haupteffekte sollten eigentlich mit der gleichen Begründung wie oben ausgeschlossen sein. Die Werte aus Tabelle 5 ließen einen Interaktionseffekt wahrscheinlich werden, was die Varianzanalyse bestätigt (Faktoren A,B wie oben; Ungenauigkeiten in den Total-Summen resultieren aus Rundungsfehlern):

Tabelle 6: Interaktion MOTIV x HILFEWUNSCH bzgl. Dauer der Hilfe
QdV. QS df mQ F (p<...)
A: Wunsch nach Hilfe 11,01 1 11,01 0,52 (n.s.)
B: Motiv 0,20 1 0,20 0,01 (n.s.)
A x B 194,08 1 194,08 9,19 (p < ,01)
Fehler 928,96 44 21,11
total 1134,31 47

Interessant an der Interaktion ist, dass sich die Mittelwerte der Zellen 'EM x Hilfe' und 'KM x keine Hilfe' nicht signifikant voneinander unterscheiden, was bedeutet, dass KM die Hinweisreize der Situation und des Opfers gar nicht erkennen und statt dessen ihre Hilfe aufzwingen, in dem Maß, in dem EM, falls die Hilfe gewollt ist, auch helfen.


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Diskussion

Die endozentrische Motivation definiert sich in der vorliegenden Altruismusforschung vor allem durch die selbstwertmotivierte oder moralisch motivierte Hilfsbereitschaft. Diese egoistische Variante der endozentrischen Motivation wurde in der vorliegenden Arbeit näher untersucht und spezifiziert. So konnte gezeigt werden, dass neben den von KARYLOWSKI (1977, 1979, 1984), SCHWARTZ (1977, 1981) u.a. untersuchten normativen bzw. moralischen Motiven auch das Kompetenzmotiv zur Gruppe der endozentrischen Motive gehört. Dieses Motiv zeichnet sich eine starke Fokussierung des Helfers auf sich selbst und seine Bedürfnisse aus. Das Motivziel besteht darin, eine Handlung so auszuführen, dass der Handelnde eine Bestätigung oder Steigerung seines Selbstwertgefühls erfährt. Das objektive Handlungsergebnis, nämlich die Notlinderung des Opfers, spielt dabei eine untergeordnete Rolle, wichtig ist nur die Tat als solche. Wie stark selbstfokussiert kompetenzmotivierte Helfer sind, konnte gezeigt werden anhand der Feststellungen, dass in Fällen, in denen vom Opfer selbst keine Hilfe gewollt, ja sogar ausdrücklich abgelehnt wurde, dies vom Helfer nicht beachtet oder bemerkt wurde, und er seine Hilfe regelrecht aufgedrängt hat. Gleiches gilt auch für die Dauer der angebotenen Hilfe sowie für den Zeitpunkt, an dem der Helfer in die Situation einzugreifen gedenkt. Beides wird unabhängig von den Wünschen des Opfers entschieden; das Überlegenheitsgefühl des Helfers, das aus seinem Kompetenzbewußtsein resultiert, verleitet den egoistisch-endozentrisch Motivierten dazu, nur seine eigenen Maßstäbe bei den zu treffenden Entscheidungen anzulegen. Ein interessantes (Rand-)Ergebnis dieser Untersuchung ist, dass sich exozentrisch (empathisch) und endozentrisch (Kompetenz-) Motivierte Vpn nicht in ihren vom SPF(IRI) gemessenen Empathiewerten unterscheiden. Dies könnte die Annahme unterstützen, dass sich tatsächlich beide Motive nicht gegeneinander ausschließen, sondern durchaus parallel in einer Person vorhanden sein können, sodass empathisch und kompetenzmotivierte Hilfeleistungen durchaus beide vorkommen können, je nach Situation: Wenn auf eine subjektiv kompetenzrelevante Situation getroffen wird, gewinnt bei einem Kompetenzmotivierten eben dieses Motiv die Oberhand, wohingegen ein anderer mit den gleichen Motivstärken, den die Situation nicht anspricht, durchaus hoch empathisch reagieren kann. Es stellt sich deshalb die Frage, ob möglicherweise ein Zusammenhang zwischen Empathie und Kompetenz existiert. Wie stark müßte die Empathie in einer kompetenzrelevanten Situation angesprochen werden, damit sie dominiert und nicht durch das Kompetenzmotiv unterdrückt wird ?Aber auch die (falls möglich) deutliche Abgrenzung zur Leistungsmotivation, all dies sind Fragen, die bisher noch ungeklärt bleiben müssen. Ein bisher experimentell besser untersuchtes Motiv der egoistischen Motivgruppe ist distress, also das negative Gefühl von Unbehagen. Hilfreich für die genauere Spezifizierung der Gruppe der egoistischen Motive wäre ein Vergleich untereinander. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob und wie unterschiedlich kompetenz- und distress-motivierte Personen handeln. Kann es hier auch eine irgendwie geartete Interaktion zwischen beiden Reaktionen geben, vielleicht abhängig von der Situation? Alle diese Überlegungen deuten darauf, dass die Kompetenzmotivation als solche, insbes. in ihren Auswirkungen auf prosoziales Handeln, noch ein weites Feld von Ansatzpunkten bietet.


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Literatur

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