Deutliche Vorteile informativeren Feedbacks bei einer trivialen motorischen Aufgabe
Das Experiment von Trowbridge und Cason (1932)
Je geringer die Möglichkeiten sind, sich selbst Rückmeldung über die Korrektheit der eigenen Reaktion zu verschaffen, desto mehr ist man auf externes Feedback angewiesen. Manche Lernprozesse haben ohne Rückmeldung von aussen überhaupt keine Aussicht auf Erfolg, weil dem Individuum die Kriterien unbekannt bleiben müssen, anhand dessen es sein Verhalten orientieren könnte. Je nach Lernanforderung spielt auch die Genauigkeit bzw. der Informationsgehalt der Rückmeldung eine wichtige Rolle. Wenn mehr Information im Feedback fundiertere Argumente zur Behebung des Fehlers liefert und eine entsprechende Umsetzung im Verhalten keine allzu großen Schwierigkeiten bereitet, müsste sich ein hoher Informationsgehalt des Feedback positiv auf das Lernen auswirken. Unter dieser Perspektive kommt das Experiment von  Trowbridge und Cason (1932) zu ziemlich deutlichen Ergebnissen.
Lernaufgabe
Vpn hatten die Aufgabe, mit verbundenen Augen eine Linie von exakt 3 Inch zu zeichnen. Unter standardisierten Bedingungen waren insgesamt 100 Versuchsdurchgänge zu absolvieren.
Abhängige Variable
Die Lernleistungen wurden als Abweichungen der Zeichnung vom korrekten Ergebnis (= 3 Inch) ermittelt. Daraus wurden 2 Meßvariablen gebildet:
  1. Korrekte Lösung: Die eigene Zeichnung lag innerhalb eines Toleranzbereiches von 1/8 um 3 Inch.
  2. Fehler: Betrag der Abweichung von 3 Inch  in 1/8 Einheiten.
Feedbackbedingungen:
Jeweils 15 Vpn wurden auf 4 Gruppen aufgeteilt:

Eine weitere Feedbackgruppe erhielt als Rückmeldung sinnlose Silben. Auf diese Nonsense-Bedingung wird hier aber nicht weiter eingegangen.

Ergebnisse:
Korrekte Lösungen: Mittelwerte des Prozentsatzes der  korrekten Lösungen aus 100 Versuchen:
                             Kein Feedback: 14
                   Feedback richtig/falsch: 23
Feedback Abweichung vom korrekten Ergebnis: 55
Fehlerwerte im Übungsverlauf:
Abbildung 1:

Die Graphik basiert auf den Daten aus Tabelle 2 nach Trowbridge & Cason (1932, S. 253)

Sowohl die korrekten Lösungen wie die Fehler weisen eindeutig in die Richtung, dass die Lernleistungen mit zunehmendem Informationsgehalt des Feedbacks anwachsen. Aus Abbildung 1 geht klar hervor:
  1. Bei der Übung ohne Feedback findet kein Lernen statt.
  2. Durch das Feedback "Abweichung vom korrekten Ergebnis" wird sehr schnell gelernt. Die Lernleistung scheint sich im Übungsverlauf recht bald asymptotisch der Leistungsgrenze anzunähern.
  3. Mit  dem Feedback "richtig/falsch" wird deutlich langsamer gelernt. Eine Zeichnungsgenauigkeit, die man durch das Feedback "Abweichung vom korrekten Ergebnis" in 10 Trials erreicht, erfordert mit Feedback "richtig/falsch" 100 Lerndurchgänge.
Im Anschluss an das Experiment wechselten die Gruppen die Feedbackbedingungen. So erhielten u.a. Probanden mit anfänglichem Feedback "Abweichung von korrekten Ergebnis" nun die Bedingung "kein Feedback". Hierbei fielen die Lernleistungen über weitere 100 Versuche zwar etwas ab, der Lerneffekt blieb aber dennoch mit 54 % korrekter Lösungen und durchschnittlich 2.4 Fehlern deutlich erhalten.
Diskussion
Die historisch theoretische Bedeutung der Untersuchung soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Übereinstimmend mit sonstigen Untersuchungen ist der Befund einzuschätzen, daß KCR mehr Lerngewinn erzielt als KOR. Das KOR in der Bedingung "richtig/falsch" unterscheidet sich von dem üblicher Feedbackuntersuchungen z.B. im kognitiven Bereich. Dort bleibt dann im Falle eines Fehlers gänzlich unklar, was die richtige Lösung sein soll. Im Durchschnitt der Studien erbrachte KOR nämlich denselben Lerneffekt wie "kein Feedback." (siehe dazu: Korrekte Lösung als notwendige Information im Feedback). Hier wird dieselbe Aufgabe aber mehrmals bearbeitet. Der Lerner hat die Möglichkeit, sich durch Trial und Error der korrekten Lösung anzunähern. Wie Abbildung 1 aufzeigt, dauert es seine Zeit, bis sich bei KOR ein Lerngewinn einstellt und der Vorteil gegenüber keinem Feedback sichtbar wird.

Heute erscheint das Experiment aus der Perspektive der pädagogischen Verwertbarkeit wenig originell und ziemlich trivial. Die Untersuchung ist so aufgebaut, dass Lernen überhaupt nur durch Feedback möglich ist, was in vielen Fällen nicht der optimalen Lernmethode entspricht. Die Art der Lernaufgabe sowie die Übung machen eventuell verständlich, unter welchen besonderen Bedingungen mehr Information im Feedback auch deutlich mehr Lernen bewirkt.

Die meisten pädagogischen Lernanforderungen vornehmlich aus dem kognitiven Bereich sind deutlich komplexer und unterscheiden sich in mehrfachen Punkten von der hier untersuchten Lernaufgabe. So sollte ein Schüler zunächst hinreichend instruiert werden und Lösungsbeispiele erhalten, bevor man ihn zur eigenständigen Aufgabenbearbeitung bei ähnlichen, aber nicht identischen, Aufgaben auffordert. Kein Pädagoge kommt auf die Idee, mögliches internes Feedback zu verhindern und "Blindheit" anzuordnen. Die eigenständige Überprüfbarkeit der korrekten Lösung ist vielmehr ein erstrebenswertes pädagogisches Ziel. Welcher Fehler schließlich die Aufgabenlösung vereitelte, läßt sich meistens nicht metrisch als simple Abweichung von einem Kriterium fassen. Es bleibt fraglich, ob der Schüler die informativere Rückmeldung hinreichend versteht und selbst wenn, so benötigt er zudem noch die Fähigkeit oder Fertigkeit, die Feedbackinformation in die Lösungsfindung umzusetzen. Insofern überrascht es wiederum nicht, dass mehr oder informativeres Feedback im pädagogischen Bereich keineswegs immer mehr Lernerfolg nach sich zieht.

created 10.9.2001; last update 19.9.2002; Bernhard Jacobs, b.jacobs@mx.uni-saarland.de

Weitere Verweise

In Analogie zum Experiment von Trowbridge & Cason  (1932) habe ich eine kleine Versuchsanordnung für eine ebenfalls recht triviale Aufgabe erstellt. Hier kann man an sich selbst testen, ob man exakt 5 Sekunden besser schätzen kann mit Hilfe des Feedback "Abweichung vom korrekten Ergebnis" oder ohne Feedback.

Zeitschätzung mit und ohne Feedback

Wenngleich kontinuierliches informatives Feedback die Lernaneignung deutlich beschleunigt, so weisen etliche Ergebnisse der motorischen Lernforschung darauf hin, dass "zu viel Feedback" den Transfer und die Stabilität der Lernleistung auch beeinträchtigen können (siehe dazu auch: Höhere Behaltensleistung durch weniger Feedback ? ).  Zu kontinuierlichem Feedback wurden etliche Alternativen entwickelt, z.B. summatives Feedback oder Bandbreitenfeedback.

Wie differenziert die motorische Lernforschung den Themenkomplex Feedback heute sieht, kann man z.B. ersehen aus dem Beitrag: PROVIDING FEEDBACK DURING THE LEARNING EXPERIENCE von Richard R. Danielson

Eine aktuelle Untersuchung von Kottinnen et. al. (2004) zeigt auf, dass man auch sehr informatives Knowledge of correct result im motorischen Bereich verbessern kann. Beim Zielschießen geht aus der Rückmeldung KCR zwar klar hervor, wie weit der Schuss in welcher Richtung vom Ziel entfernt ist, was aber nicht automatisch einen Treffer beim nächsten Schuss ermöglicht. Die Autoren gaben zusätzlich zum Schießergebnis bei der Hälfte der Schießübungen bereits während des Zielens auditiv durch die Frequenzveränderung eines Tones Rückmeldung über die Abweichung vom Ziel. Ein Training mit Feedback während der Aufgabenausführung war der ausschließlichen Rückmeldung des Schießergebnisses deutlich überlegen, was sich im Nachtest sowie in 2 Follow-up-Tests (dann natürlich ohne Rückmeldung) statistisch nachweisen ließ.

Eine Untersuchung   Fischer und Nusseck  zeigt auf, dass Rückmeldungen zur Zeitabweichung die Synchronisation von Metronomomvorgaben und eigenen Reaktionen deutlich verbesserten. Probanden sollten durch Fingertapping die Zeitvorgaben eines Metronomons exakt treffen. Zu Beginn der Übung zeigte sich hierbei der bekannte Vorzieheffekt. Die Probanden reagierten im Mittel einige Millisekunden früher als die Metronomvorgabe. Die KR-Gruppe erhielt darauf hin nach bestimmten Trainingsphasen eine Graphik mit den Abweichungen zu den korrekten Ergebnissen der bisherigen Raktionen. Gegenüber einer No-Feedbackgruppe verbesserten sich die Leistungen der Feedbackgruppe im Verlauf des Trainings. In einem weiteren Experiment führte das Feedback nach einer kurzen Übungsphase zu einer kontinuierlichen Verbesserung, die auch noch nach eine Woche später Bestand hatte.



Literaturquelle:
Timo Fischer, T. & Nusseck, M. Der Einfluss von Knowledge of Result bei einfachen Synchronisationsaufgaben – eine Untersuchung mit Lehramtsstudierenden der Universität Flensburg 
http://www.fischart.de/TimoFischer.html [11.10.2006]

Trowbridge, M.H. & Cason, H. (1932). An Experimental Study Of Thorndike's Theory Of Learning. Journal of General Psychology, 7, 245-258.

Kottinnen, N. Monnonen, K, Viitasalo, J, Mets, T. (2004). The Effects of Augmented Auditory Feedback on Psychomotor Skill Learning in Precision Shooting. Journal of Sport & Exercise Psychology, Jun2004, Vol. 26 Issue 2, p306, 11p;