B. Jacobs, Bildungswissenschaften der Universität des Saarlandes
Version vom 25.6.2014

Konzentrationstests durch Ordnen der zufällig angeordneten
ersten 20 Zahlen oder Buchstaben
 

Abstract

Es wird eine verbesserte Version des Zahlenreihenfolgetest ZRF_20 sowie eine von der Konzeption her analoge Variante des Buchstabenreihenfolgetests vorgestellt und dazu empirische Ergebnisse mitgeteilt. Als entscheidendes Konzentrationsmaß dient die Bearbeitungszeit. Fehler haben keinen diagnostischen Wert. Probehalber wurden weitere Konzentrationsmaße erhoben, deren Bedeutung allerdings unklar bleibt, weil sie mit der Bearbeitungszeit hoch korrelieren. Die jeweiligen Standard-Kurzversionen erzielten Alphakoeffizienten von .90 und die Langversionen Koeffizienten von .95. Erwartungsgemäß korrelieren Zahlenreihenfolge- und Buchstabenreihenfolgetest recht hoch miteinander und können bedingt als Paralleltests betrachtet werden. Verlaufsanalysen deuten darauf hin, dass während einer Testung leichte Ermüdungserscheinungen auftreten, die Testwiederholung nach einer kurzen Pause hingegen einen leichten Übungseffekt bewirkt. 

Der Konzentrationstest ZRF_20_5 | ZRF_20_5 in englischer Sprache

Der von Jacobs (2013a) entwickelte Online-Kurzzeitkonzentrationstest ZRF_20 verlangt von der Testperson, insgesamt 5 mal die zufällig angeordneten Zahlen 1 bis 20, beginnend bei 1 in der korrekten Reihenfolge anzuklicken.
 

Abbildung 1: Mögliches Beispiel eines ZRF_20- Testdurchgangs

Als relevante Konzentrationsleistung gilt hierbei die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro korrektem Durchgang (siehe Abbildung 1). Bei einem Fehler wird die Bearbeitung abgebrochen und der nächste Durchgang vorgelegt. Dieses Konstruktionsprinzip führt dazu, dass Fehler die Reliabilität der Zeitmessung beeinträchtigen, da stets lediglich 5 Durchgänge verlangt, aber nur korrekte Durchgänge gewertet werden. Mehrere Studien (Jacobs 2013a, 2013b, 2014) ergaben Koeffizienten um a=.90 für solche Probanden, welche alle 5 Durchgänge korrekt bearbeitet hatten. Für Personen mit Fehlversuchen fiel die Reliabilität hingegen ab.

Um eine Reliabilität von annähernd a = .90 für alle Testpersonen zu wahren, sieht die neue Version des ZRF_20, im Folgenden ZRF_20_5 genannt, daher vor, stets fünf korrekte Durchgänge für alle Probanden zu fordern, was allerdings zu einer Erhöhung der Bearbeitungszeit für Testpersonen mit Fehlversuchen führt.  

Im Rahmen eines Experimentes zur Wirkung akustischer Störreize auf die Konzentration wurde der ZRF_20_5 auf insgesamt 10 Durchgänge verdoppelt. Der so konstruierte ZRF_20_10 erhöht die reine Bearbeitungszeit je nach Testperson auf insgesamt ca.  3 bis 4,5  Minuten, lässt dafür aber eine Reliabilitätssteigerung erwarten. 

Der Konzentrationstest BRF_20_5

Der Buchstabenreihenfolgetest BRF_20_5 übernimmt direkt das Konstruktionsprinzip des ZRF_20_5. Statt der Zahlen 1 bis 20 werden die ersten 20 Großbuchstaben des deutschen Alphabets verwendet. Abbildung 2 zeigt einen möglichen Testdurchgang des BRF_20. Die Testperson muss, beginnend bei A alle Buchstaben bis T entsprechend des deutschen Alphabets in korrekter Reihenfolge anklicken.

Abbildung 2: Mögliches Beispiel eines BRF_20 - Testdurchgangs
 

Da die Buchstabenfolge aber nicht so geläufig wie die Zahlenfolge ist, wurde die Testperson im Vorspann dazu angehalten, zunächst die Buchstabenreihenfolge aufzufrischen und erst dann mit dem eigentlichen Test zu beginnen, nachdem sie die korrekte Buchstabenfolge hinreichend zuverlässig erinnern konnte. Danach folgte ein Probedurchgang mit 8 Buchstaben. Höchstwahrscheinlich ist der BRF_20_5 für Studierende, aber nicht für alle Bevölkerungsschichten einsetzbar, was seinen universellen Einsatz limitiert.
Wegen der mangelnden Geläufigkeit der Buchstabenfolge dürfte der BRF_20 insbesondere zu Beginn deutlich höhere Anforderungen als der ZRF_20 stellen und somit längere Bearbeitungszeiten erwarten lassen. Etliche informelle Selbstversuche des Testkonstrukteurs konnten dies jedenfalls belegen. Aus diesen Gründen kann der BRF_20 nicht so ohne weiteres als klassischer Paralleltest zum ZRF_20 fungieren. Ungeachtet dieses Einwands sollte aber eine für Paralleltests übliche hohe Korrelation beider Tests gefunden werden.

Für den Versuch wurde der BRF_20_5 aus den gleichen Gründen wie der ZRF_20_10  zum BRF_20_10 verlängert.

Probanden und Erhebungsablauf

Studierende aus Seminaren des Verfassers im SS 2014 wurden dazu angehalten, im Rahmen eines Seminarexperimentes Online-Konzentrationstests zu bearbeiten. Die Onlineerhebung war so aufgebaut, dass zwischen den einzelnen Konzentrationsmessungen kurze Erhebungen sowie sonstige Aufgaben eingestreut waren, die insgesamt jeweils ca. 5 bis 7 Minuten Zeit in Anspruch nahmen. Der Testablauf lässt sich wie folgt systematisieren:

ZRF_20_10  Sonstiges  ZRF_20_10  Sonstiges  BRF_20_10 

Nach der ersten Testung des ZRF_20_10 bearbeiteten die Probanden nach einer Kurzbefragung relativ leichte Wahrscheinlichkeitsaufgaben, vor dem BRF_20_10 absolvierten sie einen Kurztest der kristallinen Intelligenz. Um die Motivation zur Bearbeitung der Konzentrationstests möglichst hoch zu halten, kündigte der Seminarleiter an, jeder Studierende erhielte unmittelbar nach jedem Test sein Ergebnis mit diversen Vergleichsmöglichkeiten. Darüber hinaus kam ein spezielles leistungsabhängiges Anreizprogramm zum Einsatz.

Ergebnisse

Im Folgenden werden die Ergebnisse von ca. 90 Studierenden (Alter 22.7, ca. 2/3 Frauen) verarbeitet. Ein Studierender musste wegen konstant ungewöhnlich langer Bearbeitungszeiten (mindestens 4 Standardabweichungen über dem Mittelwert) aus dem Datensatz genommen werden. Die Ergebnisse von 2 Studierenden waren nicht vollständig, ließen sich teilweise aber noch verwerten.

Bei der Auswertung wurde ignoriert, dass jeweils die Hälfte der Probanden die Tests unter diversen akustischen Störreizen (Kinderlärm, Redeausschnitt, Musik) bearbeiteten, weil die durch die Dauerbeschallung bewirkten Effekte recht gering bis kaum nachweisbar waren. Die ersten 5 korrekten Durchgänge von ZRF_20_10 und BRF_20_10 bilden jeweils die entsprechenden Kurzversionen. So lassen sich etwa die Ergebnisse des ZRF_20_5 mit den bisherigen Ergebnissen des ZRF_20 vergleichen. Tabelle 1 stellt die deskriptiven Ergebnisse für die Kurzversionen zusammen.

Tabelle 1: Deskriptive Ergebnisse für ZRF_20_5  und BRF_20_5   (N=90-91)

             a     M     s      Md    Schiefe  Kurtosis
ZRF_20_5    .91   19.9   4.4    19.5    .65     .46
BRF_20_5    .92   22.7   5.0    22.7    .49     .27

Die Bearbeitungszeit im ZRF_20_5 fällt etwa eine Sekunde (= 0.23 d) schneller aus als bei der früheren ZRF_20- Version (Jacobs 2013a), ist sehr gut vergleichbar zur Studie von Jacobs 2013b und fast identisch mit den Ergebnissen von Jacobs 2014, woraus man schließen kann, die leichte Modifizierung des zrf_20 zum zrf_20_5 habe keine Auswirkungen auf das Testergebnis. Erwartungsgemäß erforderte die Buchstabenvariante signifikant mehr Bearbeitungszeit als die Zahlenanordnung (t(88)=8,9 p<.001; d =.60). Wie beabsichtigt, konnte das angestrebte Ziel einer für alle Testpersonen geltenden Reliabilität um a=.90 sowohl für den zrf_20_5, wie für den BRF_20_5 erreicht werden.

Ähnlich wie der ZRF_20_5 folgt auch BRF_20_5 annähernd einer Normalverteilung, wie Abbildung 3 veranschaulicht.

Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung des BRF_20_5

Der ZRF_20_10 wurde nach einer Pufferaufgabe (Kurzbefragung und Wahrscheinlichkeitsaufgaben, ca. 5 bis 7 Minuten Zeitabstand) ein zweites Mal zur Bearbeitung vorgelegt. Die Korrelationen der beiden Messungen über diesen kurzen Zeitraum erbrachten Ultrakurzzeitretestreliabilitäten für ZRF_20_5 von rtt=.86 und dem ZRF_20_10 von rtt= .90. 

Das zweite Testergebnis fiel beim ZRF_20_10 mit ca. einer Sekunde etwas, aber hochsignifikant besser aus als das erste Testergebnis (t (91)=5.1,p<.001)), wobei der Übungsgewinn aber nur einer Effektstärke von d=.24 entspricht. Wie Jacobs 2014 aufzeigte, erwies sich ein Training der alten ZRF_20-Version gemessen an der Übungsanfälligkeit von Konzentrationstests insgesamt als relativ übungsresistent. Eine statistisch nachweisbarer Übungsvorteil erforderte dort mindestens 4 Testungen und 10 Testwiederholungen erbrachten schließlich einen Zeitvorteil von insgesamt ca. d=0.5 Effektstärken.

Tabelle 2: Gesamtübersicht aller Alphakoeffizienten

                     Durchgänge
                      5    10       
1. Messung ZRF_20    .91   .95
2. Messung ZRF_20    .93   .96
1. Messung BRF_20    .92   .96

Wie aus Tabelle 2 hervorgeht, erhöht eine Verdopplung der Kurzversionen  die Reliabilität auf Werte von mindestens .95. Hierbei folgen die empirisch ermittelten Reliabilitäten der Langversionen im Übrigen in idealtypischer Weise der Spearman-Brown-Formel. Danach müsste eine ZRF_20-Variante mit 20 Durchgängen, also eine Vervierfachung der Kurzversion, eine Reliabilität von .98 erzielen. Fasst man alle 20 ZRF_20_Durchgänge zu einem Test zusammen, kommt tatsächlich a = .975 heraus.

Bedeutung von Fehlversuchen

In allen bisherigen Studien zum ZRF_20 erwiesen sich auch hier die Fehler als ziemlich unreliabel und letztlich als ein unbrauchbares Konzentrationsmaß. Zudem ließ sich nie ein signifikanter Zusammenhang der Fehler (bzw. der Genauigkeit) mit der Bearbeitungsgeschwindigkeit nachweisen. Hier konnte die Beziehung zwischen der Anzahl der Fehlversuche und der Bearbeitungszeit nur für die Varianten mit 10 Durchgängen erfasst werden.

Im Durchschnitt realisierten die Studierenden sowohl beim Zahlen - wie Buchstabenreihenfolgetest ca. 1,2 Fehlversuche bei geforderten 10 korrekten Durchgängen. Das entspricht in etwa 90% korrekter Durchgänge, wie sie auch bei Jacobs 2013a und 2014 gefunden wurden. Ca 75% aller Probanden erzielten höchstens einen Fehlversuch. Fehlversuche sind offenbar zufällig: Ultrakurzzeitretest der Fehlversuche beim ZRF_20_10  = .19 ns [mit Spearman Rangkorrelation wegen brutaler Abweichung von der NV].

Zeiten und Fehlversuche sind unkorreliert. Die Spearman Rangkorrelationen zwischen Fehlversuchen und Bearbeitungszeiten schwanken bei den 3 eingesetzten Tests zwischen .08 und .19 und sind alle insignifikant.

1. Messung::ZRF_20_10 : r = .05   bzw. .18 nach Spearman
2. Messung: ZRF_20_10 : r = .07   bzw. .10 nach Spearman
1. Messung: BRF_20_10:  r = .03   bzw. .08 nach Spearman

Ähnlichkeit zwischen Zahlen - und Buchstabenreihenfolge

Da ZRF_20_ und BRF_20 ähnliche Anforderungen stellen, nämlich die gleiche Anzahl zufällig angeordneter Symbole in eine bekannte, geordnete Reihenfolge zu bringen, war eine hohe Korrelation zwischen beiden Tests erwartet worden. Wie die Abbildung 4 aufzeigt, wird diese Erwartung voll bestätigt.

Abbildung 4: Bearbeitungszeiten im BRF_20_10 und ZRF_20_10 (N=90)

Die entsprechenden Korrelationen beziehen sich stets auf die erste Messung eines Tests und lauten: ZRF_20_5 mit BRF_20_5: r = .82  und ZRF_20_10 mit BRF_20_10: r = .84.

Probemessung für weitere Konzentrationsmaße

Als weitere Konzentrationsmaße wurden probehalber die Reaktionszeiten (RZ1) zum Auffinden der Zahl 1 bzw. des Buchstabens A sowie die Streuung bzw. Varianz erfasst, deren Bedeutung und Brauchbarkeit allerdings noch unklar sind. Diese Maße wurden nur bei den Langversionen berechnet.

Bei jedem Testdurchgang erscheint eine neue Anordnung und die Testperson muss als erstes die Zahl 1 oder den Buchstaben A finden. Die Erfassung der dafür notwendigen Zeit ähnelt einer Reaktionszeitmessung, erfordert darüber hinaus aber eine intensive Suche. In der Regel erforderte das Anklicken des ersten Elementes die meiste Zeit (siehe Abbildung 5). RZ1 entspricht der durchschnittlichen Zeit aus den insgesamt 10 Testdurchgängen, die 1 bzw. A zu finden.

Abbildung 5: Bearbeitungszeiten aller 200 Items des ZRF_20_10 (Mittelwerte)
[Individualzeiten >8 Sekunden pro Item wurden auf 8 Sekunden getrimmt.]

Anmerkung: Die roten Punkte symbolisieren die Bearbeitungszeit zum Anklicken der Zahl 1 unmittelbar nach der Präsentation aller 20 Zahlen eines Testdurchgangs. Die nachfolgenden Zahlen entsprechen der Zeitdifferenz zur vorherigen Zahl. Beispiel ganz zu Anfang: Im Mittel benötigen die Probanden 1.7 sec, die 1 anzuklicken. Für die 2 benötigten Sie nur ca. 1 sec.

Streuung und Varianz beziehen sich auf die entsprechenden Kennwerte jeder Person aus ihren 200 Zeitmessungen eines Konzentrationstests. Hierbei wird jeweils die Zeit gemessen, die zwischen 2 Klicks verstreicht. Klickt eine Testperson z.B. auf die 3 (=Start) und danach auf die 4 (=Stop) dann misst die Zeitdifferenz zwischen beiden Klicks die Dauer, welche die Testperson benötigt hat, um nach der 3 die 4 zu finden. Streuung und Varianz messen somit die Variation des Auffindens der einzelnen Zahlen oder Buchstaben. Der Verfasser hat bei sich selbst z.B. festgestellt, dass er nach relativ zügigem Fortschreiten gar nicht so selten "auf dem Schlauch" stand und etliche Sekunden vergingen, bis er dann die nächste Zahl fand. Derartige Blockaden würden sich in einer relativ hohen Streuung manifestieren. Zunächst mussten einige Ausreißer eliminiert werden, was die Probandenzahl je nach Testmaß auf 88 bis 86 reduzierte. Korrelationen zwischen erster und zweiter Messung des ZRF_20_10 ergaben Ultrakurzzeitretestkorrelationen von RZ1, Streuung und Varianz jeweils sehr nahe um rtt=.70

Tabelle 3: Korrelationen zwischen Bearbeitungszeit des Tests und Zeit zum Anklicken der 1 oder A (RZ1), Streuung und Varianz der Zeiten zum Anklicken der 200 Zeichen (N=86-88)

                          RZ1    Streuung  Varianz
1. Messung: ZRF_20_10     .71      .71      .64
2. Messung: ZRF_20_10     .73      .60      .57  
1. Messung: BRF_20_10     .70      .82      .78

Wie aus Tabelle 3 hervorgeht, liefert die Zeit für das Auffinden der ersten Zahl bzw. des Buchstabens A eine gewisse Prognose bzw. Trennschärfe für das Gesamttestergebnis (etwas überhöht, da nicht part whole-korrigiert). Streuung bzw. Varianz hängen in hohem Maß von der durchschnittlichen Bearbeitungszeit ab. Je länger die Bearbeitungszeit, desto größer die Streuung und Varianz, insbesondere beim BRF_20_10. Es bleibt zur Zeit schwer abschätzbar, ob die weiteren Konzentrationsmaße substanzielle Informationen liefern, die über die reine Bearbeitungszeit hinaus gehen würden. Flehmig (2010) entwickelte deshalb den Variationskoeffizienten der Reaktionszeit (RTCV = 100*individuelle Streuung der Bearbeitungszeit /individuellen Mittelwert der Bearbeitungszeit), um die Abhängigkeit von Bearbeitungszeiten und Streuung (RTCV) zu mindern. Eine entsprechende Überprüfung eines analogen RTCV-Maßes für den ZRF_20_10 bestätigte, dass dieses Maß nicht mehr mit der durchschnittlichen Bearbeitungszeit korreliert. Flehmig (2010) kommt aufgrund seiner Analysen zu dem Ergebnis, der RTCV habe sich als brauchbares Maß der Temposchwankung erwiesen und gegenüber den bisherigen Konzentrationsmaßen hinaus gehende Informationen geliefert.

Verlaufsanalysen der Tests

Die Verdopplung der Standardversionen erhöht die Anzahl der Durchgänge auf 10 und die zweimalige Messung des ZRF_20_10 lässt sogar die Entwicklung von insgesamt 20 Testdurchgängen verfolgen. Ursprünglich war erwartet worden, die Leistungen würden sich im Verlauf der Zeit ein wenig verbessern, da die Testung selbst eine Form des Trainings darstellt und leichte Übungsvorteile bewirken könnte. Wünschenswert für eine optimale Testung wäre hingegen ein relativ stabiler Verlauf mit einer Steigung von 0 und zufallsbedingten Abweichungen.

Abbildung 6: Testverlauf der Mittelwerte für 10 Durchgänge im ZRF_20_10

Wie Abbildung 6 verdeutlicht, zeigt sich während einer Testung auf jeden Fall kein Übungseffekt im Sinne einer Konzentrationsverbesserung. Bei der ersten Messung deutet der signifikante linearer Trend vielmehr eher auf eine leichte Zunahme der Bearbeitungszeit hin. Zwischen erster und zweiter Messung beschäftigten sich die Probanden ca. 5 Minuten lang mit ganz anderen Aufgaben. Bereits der erste Testdurchgang der zweiten Messung lässt einen kleinen Übungsgewinn konstatieren. Insgesamt zeigt sich möglicherweise ein Effekt des verteilten Übens. Wie oben bereits berichtet, entspricht der Übungsgewinn bei der zweiten Messung einer Effektstärke von d=.24.

Die Entwicklung beim BRF_20_10 ähnelt der ersten Messung des ZRF_20_10. Aber der signifikante lineare Anstieg der Bearbeitungszeit fällt noch deutlich stärker aus. Bei der ersten Messung des ZRF_20_10 erforderten die letzten 5 Testdurchgänge ca. 0,5 Sekunden, beim BRF_20_10 sogar eine Sekunde mehr Zeit. Die jeweils signifikante Zunahme der Bearbeitungszeit könnte auf Ermüdungserscheinungen hindeuten, die bei der zweiten Messung des ZRF_20_10 dann aber weniger stark in Erscheinung traten. Möglicherweise spielt auch das Konstruktionsprinzip der Tests eine gewisse Rolle. Immer mehr Testpersonen erfahren im Verlauf der Testdurchgänge, dass Fehler einen weiteren Testdurchgang erfordern und erhöhen gegen Ende vielleicht ihre Sorgfalt, um die Testprozedur endlich beenden zu können.

Zusammenhänge mit Persönlichkeitsvariablen

Weil hohe Konzentration förderlich erscheint, um gute Schulleistungen zu erbringen, lag die Vermutung nahe, einen signifikanten Zusammenhang zwischen den Konzentrationstests und dem Abiturnotendurchschnitt zu finden. Die entsprechenden Korrelationen liegen zwar alle in der erwarteten Richtung "höhere Konzentration [geringere Bearbeitungszeit] bei besseren Abiturnoten" (r = .14 bis .11), verfehlten aber konsistent die Signifikanz. Somit steht das Ergebnis im Einklang mit den bisherigen Befunden (Jacobs 2013a, 2013b, 2014), die stets einen insignifikanten Zusammenhang zwischen Bearbeitungszeit des ZRF_20 und dem Abiturnotendurchschnitt ergaben. Die hier erfasste Konzentration sagt offensichtlich nichts über die Schulleistung aus.

Im ZRF_20_10 erzielten Männer zum ersten Zeitpunkt fast (r=21) und zum zweiten Zeitpunkt signifikant bessere Ergebnisse als Frauen (r= .22), nicht jedoch im BRF_20_10 (r=-.04). Da sich die Geschlechtsunterschiede aber in den früheren Untersuchungen nicht eindeutig belegen ließen, kann die Zuverlässigkeit des Ergebnisses in Zweifel gezogen werden.

Bei einigen Konzentrationsmessungen ergaben sich signifikante Zusammenhänge mit den Kurzskalen der Big-Five (Rammstedt & John, 2007). Es wird hier nur auf solche Persönlichkeitsvariablen der Big Five eingegangen, die zu mindestens 2 Messzeitpunkten signifikante Zusammenhänge mit der Konzentration aufwiesen. Danach ging hoher Neurotizismus in beiden Messungen des ZRF_20_10 mit schwächeren Konzentrationswerten einher (r= .23 und r=.23). Eventuell lässt sich dieser Zusammenhang zumindest teilweise auf die Anreizbedingung zurückführen. Diese aktivierte das Konkurrrenzmotiv, weil nur solche Studierende den Anreiz erhalten konnten, welche im Mittel der beiden ZRF_20_10 Tests zur besseren Hälfte aller Teilnehmer gehörten. Neurotische Personen fühlen sich in Wettkampfsituationen eher in ihrem Selbstwert bedroht und neigen dazu, solche Situationen als stressig zu interpretieren, zumal sie bei einem der Tests noch einer eher unangenehmen Beschallung ausgesetzt waren, die sie belastender empfanden als wenig neurotische Personen. Allerdings sollten Angst oder Stress nur  Leistungen kognitiv anspruchsvoller Aufgaben beeinträchtigen, was für Konzentrationstests jedoch nicht zutrifft. 

Gewissenhafte Studierende erzielten konsistent in allen Konzentrationsmessungen höhere Bearbeitungszeiten, also geringere Konzentrationsleistungen (r= .22 bis r= .28.) Möglicherweise gehen gewissenhafte Studierende ein geringeres Risiko ein und gewichten bei der Arbeitsanweisung "möglichst schnell, aber zugleich genau" die Genauigkeit etwas höher zu Ungunsten der Schnelligkeit. Sollte diese Vermutung zutreffen, so hätten sie dadurch aber keine geringeren Fehlerraten erzielt als wenig gewissenhafte Studierende. Denn beide Gruppen machten vergleichbar viele Fehler.

Die hier angestrengten Korrelationsanalysen basieren auf nicht experimentellen Verfahren und sind mit entsprechender Vorsicht zu werten, weil viele Störfaktoren die Zusammenhänge ebenfalls beeinflussen können. Es bleibt letztlich unverständlich, warum die hier festgestellten Beziehungen in der Studie von Jacobs 2013a nicht gefunden wurden. Differenzierte Analysen ergaben dann noch divergierende Ergebnisse für das Geschlecht. Danach trat die Beziehung zwischen Neurotizismus und Konzentration nur bei Frauen deutlich in Erscheinung während hohe Gewissenhaftigkeit mit schwacher Konzentration vorwiegend bei den Männern festzustellen war. Es macht allerdings wenig Sinn, im Nachhinein Erklärungen zu solchen Wechselwirkungen zu versuchen, wenn man nicht hinreichend von der Zuverlässigkeit der Befunde ausgehen kann.

Zusammenfassung

Durch eine Modifizierung der Altversion des ZRF_20 zum neuen ZRF_20_5 wurde das angestrebte Ziel erreicht, die Reliabilität für alle Probanden auf ca. a = .90 zu erhöhen sowie die Vergleichbarkeit der Testergebnisse zu den bisher durchgeführten Untersuchungen in hohem Maße zu wahren. Mit dem Buchstabenreihenfolgetest BRF_20_5 liegt nun ein alternatives Messverfahren vor, das zwar nicht alle Anforderungen eines Paralleltests erfüllt, aber recht hoch mit dem ZRF_20_5 korreliert und für Forschungszwecke in hinreichendem Maße Ähnliches misst. Allerdings setzt der BRF_20_5 die Kenntnis der alphabetischen Reihenfolge auf hoch automatisiertem Niveau voraus.

Eine Verdopplung der Kurzversionen auf jeweils 10 Testdurchgänge erhöhte die Reliabilität beider Konzentrationstests auf a = .95. Damit erreichen die Langversionen beider Tests gemessen an der Testzeit Konsistenzen, welche an professionelle Konzentrationstests heranreichen. Leider liegen zurzeit noch keine belastbaren Daten zu den Retestreliabilitäten mit hinreichenden Zeitspannen vor. 

Die Konzentrationsleistung wurde ausschließlich durch die Bearbeitungsgeschwindigkeit erfasst. Da Fehler relativ seltene Ereignisse waren, lieferte die Anzahl der Fehler erwartungsgemäß keine zuverlässige Information. Weil die Fehleranzahl zudem nicht mit der Bearbeitungszeit korrelierte, erbringt sie letztlich überhaupt keine verwertbare diagnostische Erkenntnis. Bei den Langversionen wurden als weitere Kennwerte der Konzentration das Finden des ersten Symbols und die individuelle Streuung der Bearbeitungszeiten erfasst. Beide zusätzlichen Kennwerte erzielten immerhin mäßige Zuverlässigkeiten,  korrelierten allerdings recht hoch mit der durchschnittlichen Bearbeitungszeit und werfen so die Frage auf, ob sie wertvolle Informationen bereit halten, die über die Bedeutung der Bearbeitungsgeschwindigkeit hinaus gehen.

Während einer Testung ließ sich kein Übungseffekt, sondern eher ein Ermüdungseffekt nachweisen. Bei der wiederholten Testung des ZRF_20_10 nach einer Pause von ca. 5 Minuten zeigte sich dann aber ein hochsignifikanter, vom Ausmaß des Effektes aber doch recht geringer Trainingseffekt, der durchaus mit der relativ geringen Trainierbarkeit dieses Konzentrationstests in der Studie von Jacobs 2014 vereinbar ist. 

 

Literatur:

Flehmig, H. (2010). Reaktionszeitvariabilität als Indikator von
    Konzentrationsleistungen. Dissertation, TU Dresden.
    http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:14-qucosa-39404

Jacobs, B. (2013a): Erprobung zweier Online-Konzentrationstests mit Zahlen an
    Studierenden des Lehramts. [html]
    http://bildungswissenschaften.uni-saarland.de/personal/jacobs/diagnostik/tests/konzentration/konzentrationstests.html

Jacobs,B. (2013b): Ähnlichkeit zwischen Zahlen-Verbindungs-Test (ZVT) und
    Zahlenreihenfolgetest_20 (ZRF_20) [html]
    http://bildungswissenschaften.uni-saarland.de/personal/jacobs/diagnostik/tests/konzentration/zrf_20_vs_zvt.html

Jacobs, B. (2014): Analyse von Testgütekriterien und Übungseffekten
     zweier Online-Konzentrationstests.
     URN: urn:nbn:de:bsz:291-psydok-49678
     URL: http://psydok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2014/4967/

Rammstedt, B. & John, O. P (2007). Measuring personality in one minute or less:
    A  10-item short version of the Big Five Inventory in English and German.
    Journal of Research in Personality 41, 203–212


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